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Elektromobilität in der ambulanten Pflege

Dass Start-ups mittlerweile auch das Interesse großer Unternehmen und Verbände auf sich ziehen, bewies die Caritas im Projekt „Elektromobilität in der ambulanten Pflege“. Ein Bericht von Gregor Soller

Odoo • Bild und Text
Die Ansage der Caritas, größere Stückzahlen des e.GO Life für ihre Kreisverbände zu ordern, schlug ein wie eine Bombe. Da ordert ein kirchlicher Verband Fahrzeuge bei einem Startup, die frühestens zum Jahresende in Produktion gehen werden! Allerdings war die Order beileibe keine „Bauchentscheidung“, sondern vielmehr das Ergebnis des groß angelegten und etwas sperrig benannten Projektes „Elektromobilität in der ambulanten Pflege“. Initiiert wurde das Ganze bereits 2013 von den Verbänden Aachen Stadt und Land, zusammen mit Wissenschaftlern der RWTH Aachen, an der bekanntlich auch der e.GO entwickelt wurde.

Die Forderung der Caritas: Nach einer Analyse der Gesamtbetriebskosten sollten durch die Umstellung auf Elektromobilität sowohl die Emissionen als auch die Kosten sinken und das Ganze im Idealfall wenigstens nicht teurer werden als mit dem Einsatz der aktuellen Verbrennermodelle.

Interessanterweise ist der Fuhrpark in fast allen Verbänden der zweitgrößte Kostenfaktor. Außerdem werden ambulante Pflegefahrzeuge auch für Heim- oder gar Privatfahrten genutzt, sodass man zur Evaluierung des „optimalen elektrischen Pflegemobils“ 13 Personen aus der Praxis aus acht Caritasverbänden und vier Diözesen einlud, die klipp und klar sagen sollten, was ein Pflegefahrzeug können muss – und was nicht. Ein ganz entscheidender Punkt für die geplante Umstellung auf Elektromobilität war die geringe benötigte Reichweite: Von 100 Fahrzeugen fahren täglich nur 13 weiter als 80 Kilometer, nur fünf kamen über 100 Kilometer und die allermeisten blieben unter 60 Kilometern. Dazu kommt häufiges Stop-and- go und meistens nur kurze zurückgelegte Wegstrecken. Womit ideale Bedingungen für Elektromobilität existieren, während dieses Fahrprofil für Verbrennermotoren sehr ungünstig ist.

Interessanterweise konnten sich die Teilnehmer sehr schnell auf ähnliche Anforderungen verständigen. „Egal, wie unterschiedlich die Verbände in Deutschland untereinander auch sein mögen: Die Wünsche der Pflegerinnen und Pfleger an ihren mobilen Arbeitsplatz sind meist dieselben“, stellte Philip Müller, Projektleiter des Caritas-Projektes bei der RWTH Aachen, fest. Und er durfte feststellen, dass „gut manchmal gut genug“ ist, während die Tester zwischen 1,58 bis 1,97 Meter Körpergröße aus der Praxis vor allem bei Ergonomie und Sicherheit keine Kompromisse akzeptierten. Wichtig war hier vor allem das Thema Ein- und Ausstieg, da das Pflegepersonal überdurchschnittlich oft den Wagen verlässt und wieder besteigt. Auch die Qualität der Sitze und Sicht durch die Frontscheibe sind wichtig. Dazu kam das Thema Ablagen für Smartphone und Pflegetasche. Das Ergebnis mündete im Serienfahrzeug in extra Ablagen für eine 1,5-Liter-Wasserflasche und einen Platz für eine Desinfektionsflasche, die nicht mehr verrutschen oder auslaufen kann.

Müller arbeitet mittlerweile bei der e.GO Mobile und betreut aufgrund seiner langjährigen Erfahrung das Caritas- und Flottengeschäft, denn gerade für die ambulante Pflege bietet der e.GO einige Vorteile, oder umgekehrt betrachtet: Das Caritas-Projekt trug einen nicht unerheblichen Teil zum finalen Package des e.GO Life bei. Entsprechend haben auch andere Pflegedienste bereits bei Müller angefragt. Ab 2015 nahm das Projekt massiv an Fahrt auf und beflügelte auch die Serienentwicklung des e.GO.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ladeinfrastruktur: Denn in Pausen oder zwischen Terminen zu laden, ist für die ambulante Pflege keine Option, denn für die Nutzer gibt es einen festgelegten Plan mit fixen Zeiten. Insofern müssen Reichweite und Ladezeiten stimmen. Dabei nennt e.GO für die kleinste Akkuversion 3,1 Stunden an der Wallbox und rund sechs Stunden an der Haushaltssteckdose. Zeiten, die nach Dienstschluss nachts genutzt werden können. Rund 46 Prozent der Caritas-Flotte darf für Heimfahrten genutzt werden. Jede vierte Pflegekraft hat dafür eine Lademöglichkeit. Die Abrechnung mit dem Arbeitgeber ist technisch kein Problem.

„Eine im Vergleich zu Verbrennern eingeschränkte Reichweite ist für den Großteil der Verbände kein Problem.“ Bernhard Verholen, Caritasvorstand des RCV Aachen

Interview

mit Philip Müller Expert Sales und Projektleiter Caritas bei e.GO Mobile


Wie viele Bestellungen liegen seitens der Caritas Stand heute konkret vor?
Wir sprechen mit der Caritas über 3.000 Fahrzeuge in den nächsten zwei bis drei Jahren. Aktuell sind bereits über 300 zum schnellstmöglichen Zeitpunkt geordert.

Welche Kreisverbände zeigen größeres Interesse – die mit rein städtischen Verkehren oder mit höherem Überland-Anteil?
Es gibt überraschenderweise nur ein leichtes Übergewicht bei den städtischen Verbänden. Das liegt daran, dass wir selbst in nicht-städtischen Bereichen zu einem Großteil „E-Auto-ideale“ Routen vorliegen haben und häufig im nicht-städtischen Bereich die Ladeinfrastrukturproblematik geringer ist (es gibt eigene Parkplätze).

Wie wird der Service gehandhabt?
Analog den sonstigen Kunden über die Bosch Car Service Werkstätten. 

Wird immer die Basisversion mit kleinstem Akku geordert?
Der e.GO Life 20 ist für die Anforderungen der meisten Verbändebereits „genug Auto“. Der e.GO Life 40 wird von einigen Verbänden mit leicht längeren Routen geordert oder für Mitarbeiterinnen der Geschäftsstelle. Wir gehen von einem Verhältnis von circa 80:20, wenn nicht sogar 90:10 aus.

Ab wann werden die ersten Autos an die Caritas geliefert?
Wir liefern vermutlich die ersten Fahrzeuge im Winter dieses Jahres an verschiedene Caritasverbände aus.

Werden die Fahrzeuge gekauft oder geleast?
Das Verhältnis Leasing zu Kauf ist in der deutschen Caritaslandschaft im Wandel. Aktuell schätzen wir ein Verhältnis 30:70, das sich zu Gunsten des Leasings verschiebt. Es gibt starke regionale Unterschiede.

Hier finden Sie Informationen zu Förderungen








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